Wie staatliche Archive in Niederschlesien
genutzt werden können.
von Peter Becker (Berlin) und William Plebanek (Polanica Zdroj / Klodzko)
Die staatlichen Archive Niederschlesiens (Archivum Panstwowe) in Wroclaw, in Kamieniec Zabkowice und in Opole enthalten einen reichen Schatz an deutschen Akten und Unterlagen. Das gilt insbesondere für Schriftstücke aus und zur Grafschaft Glatz (GG) sowie zu den einzelnen Orten.
Diese überraschende Vielfalt an Quellen konnten wir in der jüngsten Vergangenheit erfolgreich feststellen:
Denn in den letzten Jahren waren wir „unterwegs auf Spurensuche in polnischen Archiven“, unterwegs zu mehr Informationen in Dokumenten aus dem 19. und 18. Jahrhundert über einige Orte in der damaligen Grafschaft Glatz.
Der folgende Beitrag erläutert, wie solche Recherchen in diesen polnischen Archiven Niederschlesiens systematisch durchgeführt werden können.
Nicht zu vergessen: Es gibt außerdem weitere Archive, z.B. der Diözesen, der Universität Wroclaw usw.
Begonnen hat die Suche dank der Unterstützung des DFK in Klodzko und von Ahnenforschern in Deutschland. So wurde es uns[1] schon bald klar, dass wir außer in den Kirchenbüchern[2] auch direkt in den vielen deutschen Akten zu suchen hatten, die sich in den polnischen Archiven befinden. Dabei haben wir uns vor allem auf die o.a. drei staatlichen Archive konzentriert, und darum geht es in diesem Beitrag.
Die Suche in polnischen Archiven war recht erfolgreich; fast alle gesuchten Angaben und darüber hinaus auch noch mehr zusätzliche, überraschende wertvolle Informationen und Dokumente haben wir entdeckt.
Wie aber haben wir gesucht? Dazu folgt nun die Übersicht, in zeitlicher Reihenfolge.
Teil I: Vorbereitung und Suche am PC
Tipp 1: Wir haben zunächst die für uns wichtige zentrale Webseite identifiziert:
https://www.wroclaw.ap.gov.pl/de
Auf diesen polnischen Webseiten werden in verschiedenen Sprachen Erläuterungen zur Suche und zu Titeln der Akten angeboten. Allerdings fast durchgehend nur als Titel, unter dem ein Text bzw. eine Akte mit einer bestimmten Kennziffer (s. Bild 1, Aktenzeichen heute) im Archiv erfasst und vorhanden ist.
Die deutschen Akten zur GG sind also in der Regel nicht digitalisiert, aber in großer Zahl vorhanden.
Großer Vorteil: Die deutschen Akten der Grafschaft sind sehr umfangreich erhalten. Die Kriegsschäden haben sich hier nicht so massiv ausgewirkt wie vermutlich dort, wo gekämpft und zerstört wurde.
Großer Nachteil: Die deutschen Akten der Grafschaft sind teils sehr unübersichtlich zusammengetragen, erhalten und nach 1945 unsystematisch gesammelt bzw. registriert worden. Die Systematik der deutschen Registratur ist natürlich nicht zu erwarten bei der Fülle der Materialien, die irgendwann nach 1945 vor allem in den drei Archiv – Standorten zu Schlesien (Wroclaw, Opole und Kamieniec Zabkowice) zusammengetragen worden sind.
Deshalb Tipp 2: Online – Recherche als Vorbereitung.
https://www.szukajwarchiwach.gov.pl/en/strona_glowna
Hier wird online die Suchsystematik erklärt. Eine übersichtliche und gut verständliche Webseite, auch in Deutsch zu lesen, begleitet den Suchenden.
Unbedingt als nächsten Schritt:
Tipp 3: Sich dort (s. 2) registrieren lassen.
Vor Beginn der Online-Suche sind dieser Registrierung sowie die Online – Freigabe durch das Archiv erforderlich. Die Online – Registrierung dauerte ca. einen Werktag.
Erst danach ist es möglich die Suche zu beginnen.
Die eigentliche Suche haben wir mit den Namen der gesuchten Personen begonnen.
Dazu gab es dann zwar einige Informationen, aber das war für uns insgesamt sehr wenig und auch nicht wirklich nützlich.
Deshalb Tipp 4: Inhaltlicher Ansatz: Unter welchen deutschen „Aktenbezeichnungen“ kann sich der / das Gesuchte wohl finden lassen?
– Als erstes die deutsche Ortsbezeichnung – es geht ja um deutsche Akten – benutzen.
– Als zweites Suchbegriffe / Schlüsselwörter zusätzlich zum Ortsnamen planen und eingeben..
Das können z.B. „,Grundbuch“, „Verträge“ oder „Steuern und Abgaben“ oder viele andere typisch deutsche „Ordnungsbegriffe der Verwaltung“ aus ca. sechs Jahrhunderten sein.
Hier sind Kreativität und Systematik genau so gefragt wie eine ungefähre Vorstellung, wie wohl in der Vergangenheit eine deutsche Gemeindeverwaltung ihre Akten gepflegt, erhalten und registriert hat.
Die entsprechende Akte hat heute jeweils eine neue = aktuelle Nummer (Registratur = Aktenzeichen) in den polnischen Archiven.
Ergänzungstipp während der Suche:
Oft ist es nützlich, die letzte und dann auch die vorletzte Nummer des AZ wegzulassen – die Anzahl der dann gefundenen Akten lässt sich so häufig verbessern.
Wenn die möglicherweise interessanten Akten identifiziert worden sind,
folgt die konkrete Vorbereitung der Sichtung:
Teil II: Vorbereitung der Auswertung vor Ort
Tipp 5: Name UND Nummer der Akte sind vorab schriftlich dem Archiv mitzuteilen, damit der Besuch vorbereitet und die Akte zur Verfügung gestellt werden kann.
Sie erinnern sich:
Das Archiv (auch für Suche in der Grafschaft Glatz) Ihrer Akte kann sich in
Wroclaw, in Kamieniec Zabkowice und auch in Opole befinden.
Also ggf. den Besuch vor Ort an einem oder mehreren Standorten planen.
Wichtig: Notieren / kopieren Sie sich am heimischen PC Name und Nummer der gesuchten Akte(n) und haben Sie diese Informationen im Archiv griffbereit, damit Sie darüber vor Ort im Archiv sprechen bzw. die Akte(n) abgleichen können.
Die bisherigen Tipps können Sie vom PC in Deutschland erledigen.
Jedoch sind nur wenige der unglaublich vielen Akten aus der Grafschaft auch digitalisiert vorhanden; es sind also Besuche im Archiv erforderlich.
Teil III: Auswertung vor Ort
Tipp 6: Den Besuch in einem oder mehreren der o.a. Archive verbindlich planen.
Das bedeutet: Das Datum auswählen, sich online zum Besuch (an den Arbeitstagen des jeweiligen Archivs) ankündigen und dabei bis zu zwanzig Akten (pro suchende Person) angeben, die dann vorgelegt werden sollen.
Die entsprechende Email ist am besten mindestens 24 Stunden vorher an das Archiv zu senden.
Denn natürlich müssen sich auch die polnischen Archivare auf die Suche machen, um den Besucher dann mit allen gewünschten Akten (bis zu zwanzig je einzelnem Besucher) am Besuchstag ausstatten zu können.
Bei all unseren Besuchen waren die Mitarbeiter der Archive sehr hilfsbereit.
Jedoch ist auch bei diesen Kontakten und Gesprächen mit den Mitarbeitern die gute Kenntnis der polnischen Sprache und, wie bei uns, die persönliche, polnisch – deutsche Zusammenarbeit für den gemeinsamen Besuch sehr nützlich.
Deshalb Tipp 7: Mit einem polnischen Partner gemeinsam vor Ort das Archiv besuchen.
Dieser polnische Partner kann natürlich auch schon vorher bei der Suche am PC sehr hilfreich sein – so wie bei uns.
Sehr zu empfehlen:
Tipp 8: Am Besuchstag möglichst schon früh und zum vereinbarten Termin im jeweiligen Archiv sein.
Denn zum einen gibt es bestimmt mit den Mitarbeitern vor Ort noch etwas zu besprechen. Aber vorher beim Eintritt muss sich jeder Besucher persönlich identifizieren (Personalausweis nicht vergessen!), den Grund seiner Suche angeben und die entsprechenden Angaben eintragen und unterschreiben.
Taschen und Getränke dürfen übrigens nicht mit in den Lesesaal genommen werden.
Und zum anderen wird die Zeit bei der Sichtung der Akten(berge) wie im Flug vergehen.
Tipp 9: Bereiten Sie sich auf Akten mit Handschriften vor, die einst üblich waren, die aber für uns heute sehr oft fast unleserlich sind..
Vielleicht können Sie ja auch einen „Schriftkundigen“ an Ihrer Seite für Besuch oder Auswertung organisieren?
Zwei Daten – die Erfindung der Schreibmaschine (1868) und dann ihre Benutzung in deutschen Verwaltungen (angeblich ab ca. 1900) – sind uns während unserer Suche jedenfalls schmerzlich bewusst geworden …
Tipp 10: Dokumentieren Sie Ihre Funde und Entdeckungen.
Z.B. mit dem Handy fotografieren (Blitzlicht ist nicht erlaubt) oder besser mit einer geeigneten Kameratechnik – denn auch nach dem Besuch sollen die gefundenen Angaben ja ausgewertet und vielleicht auch weiter mitgeteilt werden.
Tipp 11: Seien Sie auf Überraschungen vorbereitet!
Wir haben in den Archiven und bei unserer Suche viele überraschende Entdeckungen gemacht.
Teil IV Die Überraschung
Eine sehr nützliche Wieder – Entdeckung:
Übersicht der historischen Akten der GG, in drei Bänden
Dieses uns völlig überraschende Beispiel einer (zumindest uns) vorher unbekannte Akte dürfte vermutlich für alle Suchenden mit Bezug zur Grafschaft Glatz interessant sein:
Bei unserer Suche ist uns eine umfangreiche Aktensammlung aufgefallen:
„Heimaturkundei des Vereins für Glatzer Heimaturkunde 1331 – 1933“
Unter der polnischen Bezeichnung
„Kolekcja Regionalnego Klodzkiego Towarzystwa Krajoznawczego 1331 – 1933“
sind wenig systematisch eine Vielzahl von Akten (Oberbegriff) und Dokumenten gelagert worden. Aktenzeichen 82 / 1243.
Vermutlich alles, was in dem Moment vor vielen Jahren sonst nicht zuzuordnen war – irgendwann in den 50er Jahren oder früher…
Wir haben uns online durch die Titel der vielen Akten gekämpft, denn schon die Jahreszahlen (ab 1331!) machten uns neugierig.
Entdeckt haben wir u.a. – und das ist die große Überraschung –
Drei mit Schreibmaschine geschriebene Bände
„Bestandsverzeichnis (Inventar) der Heimaturkundei des Vereins für Glatzer Heimatkunde
……
Aufgestellt 1938 – 1942 durch Oberamtsrichter A. Gierich in Glatz“
Band 1: Allgemeiner Teil
Band 2: Kreis Glatz
Band 3: Kreis Habelschwerdt.
Gefunden haben wir die (fast) vollständige Übersicht aller seinerzeit in der GG vorhandenen Akten, systematisch und übersichtlich auch nach Orten und der damaligen deutschen Registratur gegliedert.
Die Einleitung des Autors, Oberamtsrichter A.Gierich, Glatz, in Bd. 1 beginnt:
„Im Sommer 1938 erging an mich wie an alle Archivpfleger der Amtsgerichte in Schlesien der Auftrag …, die Bestände des Amtsgerichts Glatz an älteren Grund- und Hypothekenbüchern, sowie die Akten betreffend Anlegung der Hypothekenbücher, Rezesablösungen, Urbare u.a.m. archivalisch aufzunehmen und systematisch zu erfassen. Gewünscht wurden dabei auch Angaben über Schöppenbücher, Hypothekenbücher u.a., welche sich anderweit im Bezirk jedes Amtsgerichts befänden.“
Dieser Auftrag wurde vom Autor noch vertieft; er erfasste in drei Jahren so viel ältere Akten und Dokumente wie möglich, und zwar für die Landkreise Glatz und Habelschwerdt.
Mittlerweile wissen wir, dass A. Für Albert steht – Albert Gierich war viele Jahre wohnhaft “Am Böhmischen Tor 2“ in Glatz. Was wohl aus ihm geworden ist?….
Zu Weihnachten 1941 war diese Arbeit getan und A. Gierich übergab „dem Verein für Glatzer Heimatkunde meine Arbeit mit dem Wunsche, dass sie … manchen Forschern und damit der Heimat weiteren Nutzen und … einige Anregungen bringen möge.“
Genau das haben 2024 diese drei Bände bei uns bewirkt – sicher gänzlich anders, als Albert Gierich sich das seinerzeit gedacht hatte.
Jedenfalls können heute Suchende anhand dieser drei Bände zumindest als Übersicht alle deutschen Akten kennen, die um 1940 in drei Jahren in und für die Grafschaft Glatz erfasst werden konnten.
Heute vorhanden sind die drei Bände (auch getrennt erfasst)
im Staatsarchiv Wroclaw
unter dem polnischen Aktenzeichen 82/1243/0/64/5182 – 84.
Diese mehr als achtzig Jahre alte Übersicht in drei Bänden gibt dem Forschenden wertvolle Hinweise, welche deutschen Akten in den polnischen Archiven heute zumindest theoretisch vorhanden sein können – eine wichtige Quelle für jeden Suchenden!
Aber trotz aller sicher systematischen Zusammenstellung hat Albert .Gierich seinerzeit nicht alle Akten und Dokumente der Grafschaft erfasst. Das können wir als eines der Ergebnisse unserer weiteren Suche in den umfangreichen polnischen Archiven aktuell feststellen.
Dennoch wiederholen wir gern und nachdrücklich seine Auffassung:
Diese drei Bände enthalten für Forschende viele nützliche Anregungen; sie sind nach unserer Meinung eine hilfreiche Übersicht für jeden, der heute in den alten deutschen Akten nach Informationen zur GG und ihren Orten sucht.
Vgl. auch die Anlagen /Fotos zu diesem Text.
Teil V Ausblick
Weitere nützliche Links zur Suche in polnischen Archiven:
http://www.christoph-www.de/archivns1.html
http://www.christoph-www.de/kbsilesia2.html
Außer den genannten staatlichen Archiven schlummern ja auch in den Bibliotheken, u.a. in Wroclaw, viele Schätze, die für die Geschichte der GG noch auszuwerten sind!
Mein besonderer Dank gilt William Plebanek (Klodzko / Polanica Zdroj): Ohne seine beständigen und immer nützlichen Aktivitäten wären weder die Suche in Archiven noch dieser erklärende Text möglich gewesen.
Nur gemeinsam können wir in Gegenwart und Zukunft erfolgreich sein, auch bei der Spurensuche in der Vergangenheit.
[1]Wir: Das ist vor allem William Plebanek, der dem Verfasser erst Suche und Zugang ermöglicht hat
[2] Kirchenbücher sind oft digitalisiert vorhanden – aber noch lange nicht vollständig erfasst