Anmerkungen zu Niederschwedeldorf (Szalejow Dolny) oder Arnost von Pardubitz und Helmut Göbel
Auf den ersten Blick ist Niederschwedeldorf (Szalejow Dolny) ein Dorf in der Grafschaft Glatz wie viele andere. In einem lieblichen Tal strebt ein gut und naturgerecht ausgebautes Flüsschen (Bystrzyca Dusznicka) der Glatzer Neiße zu. Am linken und rechten Ufer des Baches reiht sich Haus an Haus, nicht selten mit Garten und Blütenpracht vor und hinter dem Gebäude. Diese Gestaltung eines Dorfes erinnert an die planmäßige Anlage deutscher Siedlungen im Gebirge und dessen Vorland, die sogenannten Waldhufendörfer.
Auf den zweiten Blick, ergänzt durch die Lektüre der entsprechenden Artikel im Handbuch der historischen Stätten, Band Schlesien, wird klar, dass Niederschwedeldorf (bezeugt 1269 in einer Prager Urkunde und damit eines der ältesten dokumentierten Dörfer in der Grafschaft Glatz) auf eine nahezu 800jährige Geschichte zurückschaut. Arnestus von Pardubitz, der berühmte erste Prager Erzbischof, der erste Kanzler der Prager Universität und enge Berater von Kaiser Karl dem IV. kaufte das Dorf etwa 100 Jahre nach seiner ersten Erwähnung und schenkte den Besitz dem von ihm gegründeten Augustiner – Chorherrenstift in Glatz. Die Augustiner entfalteten insbesondere im 16. Jahrhundert eine rege Bautätigkeit in Niederschwedeldort und bewahrten die Erinnerung an Arnestus , indem sie unter anderem das Wappen seiner Familie in eines der Tore der Mauer um das Kirchengelände anbringen ließen.
Es wird Zeit, auf den eigentlichen Anlass dieser Zeilen einzugehen. Weitere historische Auslassungen würden den Leser vielleicht ermüden oder gar den Ausspruch provozieren: Der Autor möge aufhören, Eulen nach Athen zu tragen.
Wer kümmert sich heute um die steinernen, manchmal auch hölzernen Zeugnisse der Vergangenheit? Da ist zum Beispiel der Erzengel-Michael-Verein in Niederschwedeldorf mit einer ganzen Reihe aktiver Mitglieder, die sich um die Erhaltung der kulturellen Werte der Vergangenheit verdient gemacht haben. Dies ist bemerkenswert , weil es sich nicht um ihre, sondern vor allem um deutsche und böhmische Geschichte geht.
Und nicht zu vergessen: In und um Niederschwedeldorf ist Helmut Göbel seit Jahren unermüdlich tätig. Er hat die Rekonstruktion und Erneuerung von Denkmälern, Kapellen und Wegkreuzen (Straße der Denkmäler) in seinem Heimatdorf zu seinem Lebenswerk gemacht. Angefeuert durch seinen Enthusiasmus und unter seiner Regie haben viele Dorfbewohner mitgeholfen, sein Lebensmotto „Denkmäler sind die geistige Botschaft der Vergangenheit“ in der Realität umzusetzen. Helmut Göbel scheut sich aber auch nicht, seine guten Beziehungen zu polnischen und deutschen Institutionen und Firmen zu nutzen, um seine Ziele zu erreichen.
Eines dieser Ziele war seit langem, das unter Denkmalschutz stehende und seit Jahren nicht begehbare Törchen zur Kirchenmauer wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Dazu mussten einige große Heuscheuer-Platten erneuert , die Wände neu gemauert , verputzt und gestrichen werden. Als Herkulesarbeit erwies sich der Einbau einer neuen Holztüre. Luftgetrocknetes Eichenholz wurde aus Westfalen beschafft, damit das Törchen wieder dem Originalzustand entspricht. Allerdings zeigt das Holz nicht zu tilgende Spuren der neueren Geschichte. Die vom Einmarsch der Amerikaner in Münster zurückgebliebenen Verfärbungen aufgrund eingeschlagener Granaten wurden bewusst nicht beseitigt. Helmut Göbel nahm dies mit Humor und sagte: „Das Holz der neuen Türe hat unter den Amerikanern gelitten, ich habe noch russische Granatsplitter im Leibe. Beide haben das überlebt.“
Im Juli konnten endlich fast alle Arbeiten abgeschlossen werden. Großdechant Jung war gekommen, um das neue Tor einzuweihen. Als symbolische Geste durften alle Teilnehmer an der Feier zum ersten Mal nach langer Zeit durch das Tor gehen. Helmut Göbel dankte in einer bewegenden Ansprache allen Helfern. Die Ortssprecherin Frau Mariola Nakwasinska von Niederschwedeldorf , Frau Elisabeth Kynast, ein Vertreter der Stadt Glatz und Horst Ulbrich DFK Glatz richteten Grußworte an die Versammelten. Die Gruppe der Dorffrauen musizierten zum Ausklang der Feier.
Möge das Tor auch in Zukunft ein kleines Zeichen für die Verbindung zwischen Völkern, für die Öffnung von realen und virtuellen Mauern bleiben!
Glatz, 22.07.2013
Hermann Handlos
Schriftführer DFK Glatz