Grafschaft Glatz (Schlesien) Neuigkeiten und Wissenswertes aus Schlesien

12.11.2016

Eine Lebensgeschichte.

Filed under: Neues aus Schlesien — Horst Ulbrich @ 17:27

02-panorama   foto-8   09 Zum Vergrößern die Bilder anklicken.

Am 9.11.2016 hat in unseren Gesellschaftsräumen eine Veranstaltung des polnisch – deutschen Vereins Glatz stattgefunden. Wir sind mit dem Verein sehr verbunden, deren  Mitglieder sind in unserem Chor, meine Frau und ich sind dort Mitglied geworden und wir waren auch schon gemeinsam in der Partnerstadt Bensheim. Der Verein besteht in Glatz und als deutsch – polnischen Verein in Bensheim.

Ein gutes Beispiel völkerverbindender Gemeinschaft. Schon seit langer Zeit lädt der Verein Zeitzeugen  der Kriegserlebnisgeneration zu Diskussionen ein, um deren Schicksale kennenzulernen. So wurde auch schon Familie Ulbrich mit Vertreibungsproblemen und Rückzug von Horst Ulbrich in nächster Generation behandelt, wie auch das Schicksal der Familie Keuten mit ähnlichem Verlauf.

Olga Kawalec, unsere gute Seele beim DFK Glatz, die jeden Samstag unsere Räume reinigt, den Einkauf tätigt, Kaffee kocht und vieles mehr, war an diesem Tag mit ihrer einzigartigen Geschichte das Thema.

Sie wurde als Säugling mit einem Monat am Bach in Altwilmsdorf   1943 ausgesetzt. Auf einem beigelegten Zettel stand die Information, ihr Name sei Olga und sie wäre noch nicht getauft. So wurde sie von einem Ehepaar, einem Mann aus Litauen mit deutscher Frau gefunden. Allein die Geschichte der Eltern ist bemerkenswert.

Der Vater, aus einer litauischen Adelsfamilie, kam in den ersten Kriegsjahren als deutscher Kriegsgefangener nach Schlesien. Er sprach Russisch, Tschechisch und Deutsch, wurde bald entlassen und hat zunächst in Tschechien gearbeitet, danach dann in einer Konditorei in Glatz. Auch Olga kann nicht mehr berichten, wie es dazu gekommen ist. Er heiratete Hedwig, eine deutsche Frau  und sie hatten zwei leibliche Kinder, Paul und Annelis. 1943 fanden sie Olga am Bach und nahmen sie auf. Kurz danach nahmen sie einen drei Wochen alten Jungen mit dem Namen Hans in Pflege, weil die deutsche Mutter ihn nicht wollte, später auch die Gretel, ein Mädchen deren Mutter bei der Geburt gestorben war.  Das Leben der Familie war in den Kriegsjahren nicht leicht. Trotzdem adoptierten sie Olga als nun fünftes Kind. Die Behörden waren damals scheinbar froh wenn sich jemand für Findelkinder interessierte, Hans wurde allerdings mit vier Jahren von seiner entfernten Familie nach Deutschlands geholt.

Der Vater arbeitete weiterhin in der Konditorei, die Mutter nähte neben Haushalt und Kindern Kleidung und Gardinen für die Menschen im Dorf.

Mit 16 Jahren beschloss Olga nach Glatz zu fahren, um Arbeit zu suchen. Sie wollte ihre Eltern entlasten, aber es fehlte das Geld für den Zug. So verkaufte sie einige Eier aus dem Stall, damit konnte die Fahrkarte bezahlt werden. In Glatz stellte man fest, dass sie noch nicht 18 Jahre alt war und man wollte ihr keine Arbeit geben. Aber der Beamte hatte einen Freund in einer Tischlerei, der sie aufnehmen wollte. So bekam sie einen Ausweis und durfte als Praktikant beginnen, bekam auch eine Unterkunft mit Beköstigung. So blieb sie in der Firma 32 Jahre.

1960, also mit 17 Jahren, lernte sie beim Tanz ihren späteren Mann Bolek kennen, den sie 1961 heiratete. Sie sind bis heute beisammen und haben eine erwachsene Tochter.

dsc_0400    Bitte die Bilder anklicken zum Vergrößern.           dsc_0393

Wahrlich ein ereignisreiches Leben. Als Frau mit deutschen Wurzeln kam Olga 2002 zum DFK Glatz,  wo ihre Schwester Annelis schon seit 1997 Mitglied war. Schwester Annelis bekam durch Heirat den Namen Grabiec, ihr Sohn war Piotr, der Maler des Bildes unseres seligen Gerhard Hirschfelder. Leider ist er mit jungen Jahren verstorben.

foto-1-2-3   foto-20-21 Bitte Bilder anklicken.

Wir danken Olga Kawalec für die vielen Jahre ihrer Vereinstätigkeit und wir sind froh sie bei uns zu haben.

Ein denkwürdiger und interessanter Abend beim DFK Glatz mit Olgas einzigartiger Lebensgeschichte, unterlegt mit alten Bildern.

 

Beitrag von Horst Ulbrich

Ein Kommentar »

  1. Einen lieben Gruß aus Deutschland,
    mit Interesse las ich gerade die Seite. Mir kamen doch einige Gesichter bekannt vor. Ich bin ein Nachfahre eines alten Altwimsdorfers. Mein Vater war August Galle, seine Mutter war Hedwig Galle, geb. Welzel und diese war die Freundin der oben beschriebenen Hedwig Vasilewski. Ich selber war schon viermal in der Grafschaft Glatz und habe noch die Annelies Grabiec und auch ihren Sohn Peter kennenlernen dürfen. Zuletzt sah ich Annelies einige Wochen bevor sie starb. Ich habe sie in sehr guter Erinnerung und diese wird sie auch zeitlebens haben.

    Zum ersten Male war ich in Altwilmsdorf als Hedwig Vasilewski gerade gestorben war, ich habe sie leider nicht mehr kennenlernen dürfen.

    Ich freue mich, dass ich diese Seite entdeckt habe und werde mich damit nun intensiv beschäftigen. Einen lieben Gruß an die alte Heimat, Gruß Detlef Galle

    Kommentar by Detlef Galle — 23.6.2020 @ 21:19

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