Grafschaft Glatz (Schlesien) Neuigkeiten und Wissenswertes aus Schlesien

13.7.2012

Gedenken an den seligen Gerhard Hirschfelder

Filed under: Neues aus Schlesien — Horst Ulbrich @ 13:20

Ein Kardinal, ein Erzbischof, ein Bischof und der Großdechant – alle vereint im Glatzer Land

Gedenken an den Seligen Gerhard Hirschfelder und Einweihung der Begegnungsstätte mit Museum am 3. Juni 2012

Der Anlaß
Schon bei der Seligsprechung von Kaplan Gerhard Hirschfelder am 19. September 2010 in Münster wurde durch den Prager Erzbischof Dominik Duka OP (Dominikanerorden) die Idee geboren, sich am Grabe des Seligen in Tscherbeney bei Bad Kudowa in der Grafschaft Glatz bei einem gemeinsamen Pilgergottesdienst „international“ zu treffen und des Seligen zu gedenken. Wenn es nicht bereits früher geschah, so lag es nicht an mangelndem Willen, sondern einzig und allein an der schwierigen gemeinsamen Terminfindung.

Die Initiatoren
Kein geeigneterer Platz kann gedacht werden für eine nationen-übergreifende Verehrung als die Ruhestätte an der Kirche in Tscherbeney, im Dreieck von Schlesien, Böhmen und Mähren. Hier versammelten sich zu einem feierlichen Gottesdienst Dominik Kardinal Duka, Erzbischof Dr. Erwin Josef Ender, Bischof Ignacy Dec, Großdechant Franz Jung mit Prälat Romuald Brudnowski, dem hiesigen Ortspfarrer.
Kardinal Duka von Prag hat ein besonderes Verhältnis zu den Grafschaft Glatzern, denn er wurde im benachbarten Königgrätz geboren und war dort seit 1998 Bischof, bevor er 2010 als Erzbischof nach Prag berufen wurde und seit 2012 dem Kardinalskollegium angehört. Auf dem Bischofsstuhl in Prag gedachte er der tausendjährigen Zugehörigkeit des Glatzer Landes, das seit der Gründung des Bistums 973 bis 1972 Bestandteil der Diözese blieb. Der erste Erzbischof von Prag wurde 1344 Arnestus von Pardubitz. Er war der Sohn des Burgkastellans von Glatz, begann hier bei den Johannitern seine Ausbildung und bestimmte für seinen Grabplatz die Dekanatskirche in Glatz, wo ein Marmordenkmal an sein segensreiches Tun als Ratgeber Kaiser Karls IV. erinnert. Unter dessen Herrschaft legte er den Grundstein für die Prager Kathedrale, den Veitsdom, gründete die Universität und übernahm das Amt des Kanzlers. Darin liegt die bis auf den heutigen Tag bestehende innere Verbundenheit der Grafschafter zu Prag, soweit sie der sog. Erlebnisgeneration angehören, begründet.
Aus Rom eilte Erzbischof Dr. Erwin Josef Ender herbei, der aus dem kleinen Ort Steingrund bei Habelschwerdt stammt. 1990 berief ihn Papst Johannes Paul II. zum Titularerzbischof im Sudan und setzte ihn als Nuntius im diplomatischen Dienst ein. Zum Abschluß seiner kirchenpolitischen Karriere übernahm er 2003 bis zu seiner Emeritierung 2007 die Nuntiatur für Deutschland in Berlin.
Professor Dr. Ignacy Dec leitete als Rektor die Päpstliche Theologische Fakultät in Breslau. 2004 wurde er Bischof der neu gegründeten Diözese Schweidnitz, zu der jetzt die Grafschaft Glatz gehört, nachdem sie zwischenzeitlich dem Erzbistum Breslau zugeschlagen worden war. Bischof Dec hat die Seligsprechung von Gerhard Hirschfelder intensiv unterstützt und ist heute ein großer Verehrer des ersten Seligen seines jungen Bistums.
Der Apostolische Protonotar Großdechant Franz Jung, gebürtig aus Neundorf, ab 1938 aufgewachsen in Gläsendorf bei Habelschwerdt, ist die unumstößlich anerkannte religiöse Bezugsperson aller Katholiken aus der Grafschaft Glatz, wo immer sie leben mögen, wo immer sie für eine neue Beheimatung Wurzeln geschlagen haben.
Bei seinem zehnjährigen Einsatz auf dem Weg zur Seligsprechung von Gerhard Hirschfelder, dem 1942 im KZ Dachau umgekommenen Grafschafter Jugendseelsorger, dem ein Predigtwort „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher!“ zum Verhängnis geworden war, fand er in Prälat Romuald Brudnowski, dem Ortspfarrer von Tscherbeney, einen überzeugten, hilfsbereiten Mitstreiter.

Gottesdienst auf der Pfarrwiese
Etwa 600 Verehrer des Seligen fanden sich an seinem Grabe ein. Auf der ans Pfarrhaus angrenzenden weiträumigen Pfarrwiese war ein schön geschmückter Altar errichtet worden. Hier wurden die versammelten Pilger/innen unterschiedlicher Nationalität – unter anderem auch vom Bürgermeister – sehr herzlich begrüßt. Die Pilgerschar setzte sich zusammen aus der heutigen polnischen Bevölkerung von Bad Kudowa und Umgebung sowie vielen ehemaligen Landsleuten, die 1945 auf tschechoslowakisches Gebiet geflohen waren und nicht mehr zurückkehren durften. In zwei Bussen waren weitere ehemalige Bewohner der Grafschaft Glatz als Pilger zu den Grafschafter Wallfahrtsorten Albendorf, Wartha, Maria Schnee, auf tschechischem Gebiet nach Grulich und Bärnwald angereist. Schließlich wurde speziell eine große Schar ursprünglich Tscherbeneyer Einwohner begrüßt, die hier vor Ort gemeinsam den 60. Jahrestag ihrer Erstkommunion feiern wollten.
Dominik Kardinal Duka gestaltete den Festgottesdienst in Konzelebration mit den eingangs aufgeführten geistlichen Würdenträgern. Eine große Gruppe von Priestern und Diakonen in gleichfarbenen Meßgewändern, angeführt von zahlreichen Meßdienern, umrahmte den Altarbereich. Unter ihnen fiel Julian Golak aus Neurode auf, der in der Ordenstracht der „Ritter vom heiligen Grab zu Jerusalem“ erschien, in einem weißen wallenden Mantel mit dem großen roten Kreuz und mit einem schwarzen Barett als Kopfbedeckung. Ein Chor junger Sänger und Sängerinnen intonierte melodisch und rhythmisch ansprechende moderne religiöse Gesänge. Für deutsche Augen etwas ungewohnt, standen in einiger Entfernung drei Beichtstühle bereit, die während der Meßfeier auch besucht wurden.

Begrüßung
Großdechant Jung sprach einleitend Worte der Begrüßung.
„Sehr geehrter Herr Kardinal, sehr geehrter Herr Bischof, lieber Nuntius, lieber Mitbruder Romuald, bei Dir möchte ich gerne anfangen. Ich habe hier ein Bild, das wir vor 10 Jahren in Tscherbeney aufgenommen haben, beim Gottesdienst zum 60. Todestag von Gerhard Hirschfelder. Damals waren wir Freunde, und als ich in den ersten Jahren hier in der Grafschaft, meiner Heimat, gewesen bin, hat der leider bereits verstorbene Pfarrer Stefan Witczak mich gefragt: „Willst Du nicht mein Bruder sein?“ Er hat mich in den Arm genommen. Das fand ich eine tolle Geste!
Ich möchte das jetzt wiederholen mit Dir, lieber Romuald, und sagen: Wir sind nicht Freunde, wir sind im Verständnis von Tschechen, Polen und Deutschen wirklich Brüder. Und ich möchte Dich einfach in den Arm nehmen aus Dankbarkeit dafür, daß Du die Arbeit für die Seligsprechung hier in der Grafschaft Glatz, vor allen Dingen hier in Cermna, so gut vorangetrieben hast.
Wir sind und bleiben Brüder, und ich möchte Dich in den Arm nehmen, hier vor allen Leuten.
Danke! Das ist ein Zeichen, das wir setzen wollen – auch für die Zukunft.
Lieber Herr Bischof, es ist wunderschön, daß Sie ebenso die Initiative ergriffen haben mit Ihrem Pfarrer und seiner Mannschaft, daß wir Gerhard Hirschfelder hier verehren dürfen als einen Freund von drei Nationen: Tschechen, Polen und Deutschen. Herzlichen Dank, Herr Bischof. Es war einfach toll, wie Sie das aufgegriffen haben und weiter verfolgen. Hier ist der Heimatort für Gerhard Hirschfelder; wenn wir Heimatvertriebenen, wenn wir früheren Bewohner nicht mehr sind, bleibt Gerhard Hirschfelder hier vor Ort, und das ist etwas Großartiges!
Daß wir heute hier sind mit drei Nationen, haben wir Ihnen, lieber Herr Kardinal, zu verdanken. Sie haben in Münster bei der Seligsprechung am 19. September 2010 – als Herr Bischof Dec sprach – mir ins Ohr geflüstert: „Können wir nicht eine gemeinsame Wallfahrt machen? Polen, Tschechen, Deutsche!“ Da habe ich gesagt: „Sofort! Wir kommen sowieso jedes Jahr, und heute ist das in Erfüllung gegangen. Über die Grenzen hinweg haben wir einen gemeinsamen Gottesdienst mit allen Menschen guten Willens – mit Tschechen, Polen und Deutschen. Herzlichen Dank, Herr Kardinal!“
Polnisch – Tschechisch – Deutsch im Wechsel
Bei den Meßtexten, den Fürbitten und Ansprachen wechselten sich die drei Sprachen Polnisch, Tschechisch und Deutsch regelmäßig ab, wobei übereinstimmend das tugendhafte Leben des Seligen im Blickpunkt stand.
Diakon Ewald Pohl aus Eckersdorf verlas den Evangelientext aus Matthäus 28, 16-20, worin der Missionsauftrag Jesu an seine Jünger verzeichnet steht – mit der Zusage: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt!“
Kardinal Duka predigte ebenfalls dreisprachig. Er sprach seine Freude darüber aus, daß er 2010 bei der Seligsprechung durch Joachim Kardinal  Meisner in Münster dabei sein durfte. Dabei habe er auch das Grab des von ihm sehr verehrten Clemens August Kardinals Graf von Galen besucht, dem – wie Hirschfelder –  tapferen Widerstandskämpfer gegen das Hitlerregime.
„Wir sind da, Gott Dank zu sagen für das Beispiel des priesterlichen Lebens des jungen Priesters Gerhard Hirschfelder. … Wir sind da: Seine Schülerinnen und Schüler aus der Grundschule. Wir haben gehört, wie Gerhard Euch zur ersten heiligen Kommunion vorbereitet hat. …Wir sind da: Wir haben die Gelegenheit zu sehen, wie der junge Priester mit Ideen und Mut für die Ehre Gottes, für die Freiheit der Kirche gekämpft hat, und er ist wirklich ein Beispiel für die zukünftige Kirche in unseren Ländern. Nach dem zweiten Weltkrieg haben wir gehofft auf ein Leben in Freiheit, aber, das muß man sagen, unsere Hoffnungen waren naiv. Noch eine weitere sehr schlimme Diktatur ist gekommen, und sein Beispiel war wirklich Beispiel für viele Priester, hier, in Polen, auch in Böhmen, Mähren, auch in der Slowakei. Das muß man sagen: Wir sind wirklich dankbar für dieses Beispiel des priesterlichen Lebens. Diese jungen Priester, nach dem Muster des Seligen Gerhard Hirschfelder, braucht die Kirche in Polen, in Böhmen, in Deutschland, in aller Welt.
Beten wir, daß seine Fürsprache, des jungen Priesters, sich auch ausrichtet für uns Priester, uns Bischöfe von heute. Amen.“
Wenn Kardinal Duka das mutige Leiden im Kampf gegen die Nazidiktatur so hoch einschätzt, weiß er, wovon er spricht. Er selbst wurde bei seinem Widerstand gegen den atheistischen Kommunismus mehrfach inhaftiert, zeitweilig zusammen mit Vaclav Havel, dem späteren Staatspräsidenten.
Ein kleiner Versprecher soll noch angemerkt werden, indem er einmal statt „Seligsprechung“ das Wort „Heiligsprechung“ gebrauchte. Während bei einer Seligsprechung „eine lokale Verehrung gestattet“ ist, das heißt, mit ihm zu beten und seine Fürsprache anzurufen, gilt bei einer Heiligsprechung die Verehrung in der gesamten Kirche. Vielleicht weist dieses ungewollt ausgesprochene Wort schon den Weg in die Zukunft, bildet eine neue Zielvorgabe!

Fürbitten
Wie schon in der Predigt, richteten sich auch die Fürbitten an den Beistand des Seligen. Michael Güttler aus Bad Landeck trug vor:
„Für alle, die unter Not, Krieg und Katastrophen leiden; für alle, die ihre Heimat verloren haben: Um ein unerschütterliches Vertrauen auf die Nähe und den Beistand Gottes in ihrem Leben.
Für das polnische, für das tschechische und das deutsche Volk: Um die Bereitschaft, den Weg in die Zukunft miteinander zu gehen und gemeinsam am Aufbau Europas in christlichem Geist mitzuwirken.
Wir bitten Dich, erhöre uns!“

Zeichen des Dankes
Nach dem Abschluß der Meßfeier trat Elisabeth Kynast, die wenige hundert Meter von hier als die „Schmidt Liesel“ ihre Kindheit und Jugend verbracht hat, mit spürbarer Freude und Fröhlichkeit ans Mikrofon, bedankte sich – vor allem im Namen der Tscherbeneyer – ganz herzlich für diese erhebende gottesdienstliche Feier und überreichte mehrere farbenprächtige Blumensträuße. Sie hat über die Jahrzehnte hinweg die Grabanlagen der hier ruhenden Deutschen gepflegt und für deren Erhalt Sorge getragen. Auch ist sie von Anfang an die treibende Kraft gewesen, nur eine kurze Wegstrecke vom Grab des Seligen entfernt eine Begegnungsstätte mit einem Museum einzurichten, die am Nachmittag den kirchlichen Segen erhalten sollte.
Bischof Dec ergriff ebenfalls noch das Wort, um seinen Dank an Kardinal Duka,
Erzbischof Ender und den Großdechanten auszusprechen sowie den Jubilaren der Erstkommunion zu gratulieren. Einen begeisterten Applaus erhielt er, als er sich abschließend an die ehemaligen Grafschaft Glatzer in der Pilgergruppe wandte: „Sie sind keine Gäste, sondern Sie sind hier in Ihrer Heimat. Sie besuchen Ihre Heimat.
Ich wünsche Ihnen alles Gute, Gottes Segen in reichem Maße und kommen Sie wieder. Kommen Sie wieder!“

Anschließend Volksfest
Unter der Regie von Prälat Brudnowski kümmerte sich anschließend ein Heer von freundlichen Helfern/innen um die Bewirtung der erwartungsvollen Volksmenge. Mit bewundernswerter Hilfsbereitschaft und geschickter Aufgabenbewältigung kam es zu einer schnellen Versorgung der dreisprachigen Gesellschaft. In großen Kübeln dampfte ein schmackhaftes „Bigos“ (Sauerkraut gedünstet mit Fleisch und Wurst) und auch die leckeren Stücke vom Spanferkel fanden lebhaften Zuspruch! Zusätzlich konnte man sich an Gebäck und Kuchen laben; dazu wurde eine Auswahl an Getränken angeboten. Das bunte Durcheinander der vielen Leute hatte durchaus Volksfestcharakter!

Einweihung der Begegnungsstätte mit Museum
Am Nachmittag stand noch ein weiterer Höhepunkt an, als in einer würdigen religiösen Feier das von der verstorbenen Rosa Rokitensky vermachte Wohnhaus – noch mit dem alten Mobiliar und den früher benutzten Einrichtungsgegenständen versehen – eingesegnet wurde. Kardinal Duka, Bischof Dec, Großdechant Jung und Prälat Brudnowski spendeten den Segen und besprengten den Museumsraum unter Gebeten mit Weihwasser. Es ist zu hoffen und zu erwarten, daß zahlreiche Besuchergruppen der Schädelkapelle auch an das Grab des Seligen treten, ihn um seine Fürbitte anflehen und die Gelegenheit wahrnehmen, sich über ihn ausführlich zu informieren.

Günther Gröger, Altgersdorf

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