Grafschaft Glatz (Schlesien) Neuigkeiten und Wissenswertes aus Schlesien

25.9.2019

73. Wallfahrt in Telgte.

Filed under: Neues aus Schlesien — Horst Ulbrich @ 16:40

73. Jahreswallfahrt

der Grafschaft Glatzer zur Gnadenmutter von Telgte

am 30. und 31. August 2019

30. August: Eröffnung

Mit einer feierlichen Vesper eröffnete Präses Pfarrer Martin Karras – zusammen mit Pfarrer i. R. Georg Anders und Pfarrer i. R. Christian Pabel – in der Propsteikirche St. Clemens die zweitägige Wallfahrt. Noch hatte die große Schar der Pilger/innen ihr Ziel nicht erreicht, so daß nur eine relativ kleine Gruppe der Einladung zu dieser religiösen Zeremonie folgte.

Vortrag über Leben und Wirken Joseph Wittigs

Anläßlich der diesjährigen Gedenktage (140. Geburtstag und 70. Todestag) sprachen anschließend im Pfarrheim vor etwa 80 Personen Günther Gröger und Manfred über „Joseph Wittig in Schlegel – Breslau – Rom“.

Sie gaben Auskunft über seine familiäre Herkunft, über seine Ausbildung, sein seelsorgliches Wirken, seine Studien in Rom und Nordafrika, über seine Lehrtätigkeit an der Universität in Breslau und sein schriftstellerisches Werk, das ihm schließlich 1926 die Emeritierung, die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand, und die Exkommunikation, den Ausschluß aus der katholischen Kirche, brachte. Sie berichteten fernerhin über die nachfolgende Rückkehr in sein heimatliches Neusorge, wo er sich auf dem elterlichen Anwesen im Erlengrund ein Wohnhaus erbaute und 1927 eine Familie gründete. Vier Kinder entsprossen der ehelichen Vereinigung mit Bianca Geisler, der Tochter des Habelschwerdter Bürgermeisters, der Schülerin von Edith Stein. Auf vielen Vortragsreisen in größere Städten stellte er dem begeisterten Publikum seine ideenreichen religiösen Erzählungen vor, sein schöpferisches Ziel, Glaubenswahrheiten in neuer Form, der sogenannten „narrativen Theologie“, zu vermitteln. Schließlich kamen auch die schlimmen Zeiten des Nationalsozialismus, der russischen und polnischen Schikanen zur Sprache, bis die Familie in lebensbedrohlicher Situation die Heimat mit einem Vertriebenentransport verließ und in Göhrde am Rande der Lüneburger Heide einen Unterschlupf fand. Nach unsäglichen Schwierigkeiten verblieb er dort mit seiner Familie über drei Jahre, um dann einen Aufenthalt in Meschede anzustreben. Doch er verstarb, erreichte das neue Wohnziel nur mehr als Leichnam, und fand auf dem dortigen Friedhof seine letzte Ruhestätte: „Gestorben in der Fremde!“ Das Grabmal wurde kürzlich nach sieben Jahrzehnten umgestaltet.

Die Vortragenden berichteten in lebendiger Sprache und würzten den umfassenden Bericht mit humorvollen Aussagen Wittigs. Als Kleinkind wurde er gehänselt als „Ambrosseffashannlas Joseph“, weil sein Großvater Ambrosius hieß, sein Vater wie er Joseph („Seffe“) und seine Mutter Johanna, die „Hannla“ gerufen wurde.

Bei seiner Aufnahmeprüfung in das Matthias-Gymnasium in Breslau erdreistete er sich, dem prüfenden Professor „mit gotteingegebener Frechheit“ zu widersprechen, so daß dieser „an meiner Frechheit den richtigen Grafschafter Jungen“ erkannte, über seine Leistung in Mathematik „ein großes, dickes `Gut´ schrieb, woraufhin ihm „die Prüfung in dem verdammten Französisch“ geschenkt wurde, „das ich wegen meiner ganz auf den heimischen Dialekt eingestellten Mundbildung bis heute nicht sprechen gelernt habe.“

Als er sich bereits ab 1903 „Doktor der Theologie“ nennen durfte, freute es ihn aber doch ungemein, als seine Mutter über ihn sagte: „Er bleibt doch halt mein Junge!“ „Ich höre es noch immer, und noch immer klingt es selig!“

Über seine Erfahrungen in Rom berichtete er: „Das Glück war mir über die Maßen hold. Alle Mitglieder des deutschen Campo Santo liebten mich; ich war ein heller und sonniger Gesell. …Nie soll dieses schier alljährlich wechselnde Männerkollegium so harmonisch gewesen sein wie in den zwei Jahren, während derer ich ihm zugehörte.“ „Ich arbeitete tüchtig, schrieb Bücher, Aufsätze und Rezensionen, …. mästete meinen Geist, bis er dicker wurde als Leib und Seele zusammen.“ Nach der Rückkehr und dem Hausbau in Neusorge, spöttelte er, als sein Dach wegen zu lang gelieferter Sparren sehr steil wirkte: „Damit mir die Leute nicht mehr so leicht auf das Dach steigen können wie bisher.“

Josef Wittigs Bücher „Meine `Erlösten´ in Buße, Kampf und Wehr“, „Herrgottswissen von Wegrain und Straße“, „Das allgemeine Priestertum“, „Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo“, und „Die Kirche als Auswirkung und Selbstverwirklichung der christlichen Seele“ sowie sein Aufsatz „Die Erlösten“ in der Zeitschrift „Hochland“ wurden auf den Index gesetzt, d. h., sie durften von Katholiken nicht mehr gelesen werden. Wittig gilt als ein Wegbereiter des II. Vatikanischen Konzils (1962-1965), indem er den Theologen zurief: „Ihr müßt etwas finden, was das Evangelium wieder zu einer Frohbotschaft macht! Erlösungsmittel statt Zuchtmittel!“

Die Ausführungen der beiden Referenten über eineinhalb Stunden fanden beim Zuhörerkreis eine gute Aufnahme und wurden mit Beifall belohnt. Anschließend wandten sich die Anwesenden den auf drei Tischen ausgelegten 62 Büchern von und über Joseph Wittig zu – darunter die Chroniken von Neurode und Schlegel -, und Zusammenfassungen der 6 Symposien in Neurode und mehrerer in Königstein. Einige machten sich Notizen, um sich vielleicht noch das eine oder andere Lesegut zu besorgen.

Den gesamten umfangreichen Nachlaß des Priestertheologen Wittig gab seine Tochter Bianca Maria Prinz in die Obhut der Goethe-Universität Frankfurt a. M.

Bericht  von Günther Gröger.

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