Grafschaft Glatz (Schlesien) Neuigkeiten und Wissenswertes aus Schlesien

11.4.2019

Joseph Wittig: 140. Geburtstag / 70. Todestag

Filed under: Neues aus Schlesien — Horst Ulbrich @ 10:18

 

Diese beiden diesjährigen Gedenktage sollen die Erinnerung an den Breslauer Theologen und Priesterdichter wachhalten, sein Werk der Nachwelt aufzeigen und näherbringen.

Der schlesische Joseph Wittig aus Neusorge in der Grafschaft Glatz erhielt aufgrund seines umfangreichen Lebenswerkes mannigfache ehrenvolle, aussagekräftige Titel wie Theologe, Volkslehrer, Pädagoge, Professor, Heimatpfleger, Volkskundler, Volkserzieher, schlesischer Denker und Schreiber, Chronist usw. Der Grafschafter emotional ausgeprägter Volksglaube schätzt vor allem seine ihm eigene dichterische Kunst, den Menschen in erzählender Form Glaubenswahrheiten zu erhellen, seine sog. „narrative Theologie“. Er sah sich als „Schreiber des Herrgotts“ in der Verpflichtung, „Verkünder der Frohbotschaft“ zu sein. Sein Versuch, „das Irrationale im ganzen Leben aufleuchten zu lassen“, um dadurch „ein Tröster der Trostlosen zu werden“, „daheim in Schlesien, in der Grafschaft Glatz, dem Lande der Wunder, dem Lande Gottes“. „Alles in meinem Hause und um mein Haus war voll Wahrheit und Liebe.“ „Gott hat mir die Feder in die Hand gegeben, damit ich der Welt seine Ehre und die Erkenntnis seiner Liebe verkünde.“

Titel seiner Werke deuten bereits seine Zielvorgabe an, wenn er sie zum Beispiel überschreibt mit „Getröst, getröst, wir sind erlöst“, „Tröst mir mein Gemüte“, „Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo“, „Die Kirche im Waldwinkel“, „Vom Warten und Kommen.“

Mir persönlich, der ich gebürtig aus Altgersdorf stamme, steht eine Erzählung besonders nahe: „Der Schulmeister aus Altgersdorf“. Dazu muß man ferner wissen, daß Joseph Wittig als Schüler zur Vorbereitung auf den Besuch des Matthiasgymnasiums in Breslau durch Pfarrer Heinrich May im Nachbarort Neugersdorf Unterricht erhielt und Altgersdorf ebenfalls gut kannte. Der Zufall wollte es, daß der Sohn Alfred des Lehrers Paul Rosenberg, der über 40 Jahre die Lehrerstelle in Altgersdorf inne hatte, von 1902-1908 als Kaplan in Schlegel eingesetzt wurde. Dort wuchs eine Freundschaft mit Joseph Wittig heran, die zu einem Besuch im Schulhaus in Altgersdorf führte, der als Aufhänger für die Erzählung dient.

Dabei erinnert sich Joseph Wittig an ein früheres Gespräch mit dem Dorfschulzen, bei dem jener über „ die Schönheit seines Dorfes und über die geistige und sittliche Haltung der Dorfleute“ äußerte: „Das hat alles der Schulmeister mit seinem lieben Wort gemacht“.

Das nimmt nun Joseph Wittig zur Grundlage seines Exkurses über die Wirkmächtigkeit des Wortes und geht der Sache auf den Grund, indem er auf das Johannesevangelium zurückgreift und nach Joh. 1, 1-3 frei zitiert:

Der Urgrund der Welt ist das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und alles, was geschaffen worden ist, ist durch das Wort geschaffen, und ohne das Wort kann nichts geschaffen werden.“ Er grenzt die Aussage ein, indem er sagt, daß sie „nur von dem sogenannten Worte Gottes gilt, und von diesem auch nur in der Einschränkung auf das fleischgewordene Wort, auf die zweite Person in der Gottheit, …“. So beten wir gläubig täglich dreimal beim „Angelus“-Gebet: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt!“

Schließlich betonen wir die Macht und Gewalt des Wortes bei der Anrufung vor dem Empfang der Hl. Kommunion, indem wir bereuen und analog mit der Formulierung des römischen Hauptmanns (Mt 8,8) um Vergebung unserer Schuld bitten: „Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!“ und so wie der königliche Beamte (Joh 4,46) dem Wort Jesu Glauben schenken.

Joseph Wittig verbindet diese religiösen Gedankengänge anschließend nach der Rede des Schulmeisters: „Ach, unsereiner hat halt bloß das armselige tägliche Wort!“ mit Überlegungen folgender Art: „Das Wort ist schöpferisch, es kann aber auch –zerstörerisch sein!“ Er läßt den Lehrer anmerken, dieser habe „jahrelang von der Ohnmacht seines Wortes gewußt und sei in diesen Jahren an seinem Beruf ganz verzweifelt.“

Der Dichter weitet die Gedankengänge noch aus: „Es ist in meiner Heimat Gesetz, daß man sich sowohl vor selbstrühmerischen Aussprüchen wie auch vor besonders lobender Erhebung leiblicher oder geistiger Güter eines anderen hütet, bei deren Verlust dann leicht gesagt wird: `Der oder jener hat mir`s beredet!´ Ich selber mag da nicht von Aberglauben reden. Zu deutlich sprechen die Erfahrungen. Lieber gebe ich das wissenschaftliche Dogma von der absoluten Neutralität und Harmlosigkeit des Wortes auf.“

Und er setzt letztendlich sein Urteil darunter:

Es kann in der vernünftigen Welt freilich kaum ein Wort ohne bestimmte Absicht gesprochen werden; aber die Absicht darf es nicht beherrschen wollen; sie muß es als freies Geschöpf in die Welt schicken, wo es das wirkt, was ein anderer will – ich darf … wohl sagen: was Gott will, das große, allmächtige und allein wahrhaft Wirkende.

Ich bitte, dem täglichen Wort zuzuerkennen, daß es nur eine kleine Strecke Weges unser ist, und daß wir es dann entlassen müssen in das von nahem kleine, von weitem große Werk des Lebens, oder – in der religiösen Sprache – daß wir es dem Herrgott befehlen müssen.“

Joseph Wittig erblickte das Leben am 22. Januar 1879 in Neusorge und verstarb am 22. August 1949 im niedersächsischen Göhrde-Forst.

Günther Gröger, Altgersdorf

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