Grafschaft Glatz (Schlesien) Neuigkeiten und Wissenswertes aus Schlesien

6.8.2014

Warschauer Aufstand im August und September 1944

Filed under: Neues aus Schlesien — Horst Ulbrich @ 10:41

Warschauer Aufstand im August und September 1944 oder:  Heiße Tage in Warschau

Glatz, 2. August 2014

Mein Besuch in der polnischen Hauptstadt war lange geplant und sollte eine Lücke schließen. Schlesien, Ostpreußen und viele Städte in Polen habe ich vielfach bereist, seit ich in der früheren Heimat meines Vaters wohne. Jetzt wollte ich Warschau kennenlernen. Im Zuge der Reisevorbereitungen stellte ich fest, dass mein Wissen über Warschau viele weiße Flecken aufweist. Dem Nachkriegskind (Jahrgang 1947) wurden im Gymnasium der Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto 1943, der immer noch gerne mit dem Warschauer Aufstand verwechselt wird, und natürlich die Bombardierung deutscher Städte vermittelt. Über den Warschauer Aufstand von 1944 wusste ich fast nichts. Im restaurativen Klima der jungen Bundesrepublik Deutschland fehlte bis Mitte der sechziger Jahre der Wille, sich auch mit den östlichen Nachbarn auszusöhnen, zumindest deren Sichtweise kennen zu lernen. Der Ost-West-Konflikt überlagerte Alles. Übrigens war auch in Polen eine unvoreingenommene Sicht der Dinge bis zum Sieg der Solidarnosc nicht erwünscht.

Also beschloss ich, mein Bild der polnischen Geschichte zu verbessern und nach den Spuren der Kämpfe vom August/September 1944 zu suchen, als die Rote Armee am Ostufer der Weichsel untätig zusah, wie die Deutschen den Aufstand mit brutaler Gewalt niederschlugen und befehlsgemäß das Zentrum Warschaus sprengten. (Hitler, Himmler: „Warschau soll dem Erdboden gleichgemacht werden. Jeder Bewohner ist zu töten. Es ist verboten, Gefangene zu machen.“)

Nichts schien besser geeignet, sich dem damaligen Geschehen zu nähern, als ein Besuch im Museum des Warschauer Aufstandes im roten Klinkergebäude des stillgelegten Straßenbahn-Elektrizitätswerkes von Warschau. In einer multimedialen Schau erlebte ich dann die Tage des Aufstandes mit all ihren Schrecken. Und während der Vorstellung hörte man ständig ein Herz schlagen, dumpf und laut. Das sollte wohl bedeuten: Polen lebt, solange Polen leben. Es ist ja eine Konstante der polnischen, neueren Geschichte, dass die Serie von Erhebungen, die mit einer Niederlage endeten, unsere Nachbarn nicht mutlos machte. Im Gegenteil:“ Der Sieg über die Ohnmacht zählte mehr als die militärische Niederlage“ (Joachim Gauck).

Es waren schreckliche Tage damals in Warschau Sommer 1944, als „Polen sich und der Welt zeigen wollte, dass es imstande war, sich aus eigener Initiative von der deutschen Besatzungsmacht zu befreien“ (Joachim Gauck). Nach 63 Tagen heftiger Kämpfe mit der übermächtigen, schwer bewaffneten SS endete der Warschauer Aufstand mit einer“ großen nationalen Katastrophe“ (Adam Michnik).

70 Jahre nach der Erhebung war der Sommer in Warschau heiß, aber friedlich und fröhlich. Die gedrückte Stimmung wich beim Besuch der vielen restaurierten Sehenswürdigkeiten, die Zeugnis ablegen vom ungebrochenen Aufbauwillen der überlebenden Warschauer und aller Polen.
Auch jetzt denke ich noch über die Worte des Bundespräsidenten Joachim Gauck nach, der bei der Eröffnung der Ausstellung „Der Warschauer Aufstand 1944“ in Berlin gesagt hat: „Dass es eine Tugend ist, in einer solch existentiellen Lage selbst dann zu streiten und zu kämpfen, wenn der Erfolg höchst ungewiss ist. Eine der herausragenden Gaben Polens für seine Nachbarn in Europa ist die Botschaft mehrerer Generationen: Freiheit ist so kostbar, so lebensnotwendig, dass Menschen nicht nur von ihr träumen, sondern sie erkämpfen und verteidigen, und dies sogar notfalls mit dem Einsatz des eigenen Lebens.“

Hat er wirklich recht? Ist die Freiheit wirklich jedes Opfer wert? Vor allem das Opfer der anderen, der Unschuldigen? Fragen über Fragen. Die polnische Geschichte scheint sie zu bejahen.

Hermann Handlos

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